#umwelt015-raumordnung

Raumordnungsnovelle
Es sollte ein zeitgemäßes Gesetz sein, dass auf den enormen Bodenverbrauch und die Zersiedelung in unserem Land reagiert und diese stoppt. Ein Gesetz, das der Bedeutung der Ressource Boden und unserer Landschaft Rechnung trägt und sie schützt. Das ist der Wunsch.
Geworden ist es ein Gesetz, das dabei weitgehend versagt. Ein Gesetz, das auf erforderliche Maßnahmen verzichtet und in seiner Halbherzigkeit nicht geeignet ist, die nötigen Ziele zu erreichen. Das sind leider die Tatsachen.

Land OÖ-Flächenwidmungsplan Ried
Foto: DORIS_Land OÖ – Flächenwidmungsplan

Eine neue Raumordnung eröffnet Möglichkeiten für weitreichende, dringend nötige Verbesserungen und einen wirklich effektiven Bodenschutz. Aber die politisch Verantwortlichen haben die Tür zu diesen Möglichkeiten nicht geöffnet. Sie haben gezaudert, gezögert, die Hand wieder vom Türgriff genommen und begnügen sich mit einer mutlosen Novelle. Damit vergeben sie eine Riesenchance.
Dabei wäre Handeln dringendst nötig: Straßen und andere Verkehrsprojekte, Gewerbegebiete, Einkaufszentren samt Parkplätzen und Siedlungsgebiete – der Bodenverbrauch schreitet voran und hat mittlerweile bedrohliche Dimensionen angenommen. In Oberösterreich werden täglich 2,2 Hektar Boden für Bau- und Verkehrszwecke umgewidmet, 0,9Hektar davon werden in der Folge versiegelt. Das hat dramatische Folgen – fehlen doch damit Flächen zur Lebensmittelproduktion, zum Wasserrückhalt und zum Erhalt der Tier- und Pflanzenvielfalt. Österreichweit beträgt die aktuelle Flächeninanspruchnahme 13 Hektar pro Tag – das entspricht 19 Fußballfeldern. Das Ziel im aktuellen Regierungsprogramm der ÖVP-Grünen-Bundesregierung ist es, bis 2030 maximal 2,5 Hektar Flächeninanspruchnahme pro Tag zu erreichen. Auf Oberösterreich umgelegt bedeutet dieses Ziel, bis 2030 maximal 0,4 Hektar Flächeninanspruchnahme pro Tag zu erreichen.
Diese Verschwendung von wertvollem Boden ist nicht mehr zu ignorieren. Das sagen die ExpertInnen und das wäre auch allen politisch Verantwortlichen bekannt gewesen. Aber sie haben weder Lehren noch Konsequenzen daraus gezogen. Mit dieser Novelle schaffen wir keine Kehrtwende. Nicht einmal ein merkbares Bremsmanöver.

GESETZLICHER SCHUTZ DER BESTEN AGRARFLÄCHEN –
WO UNSER ESSEN WÄCHST, WIRD NICHT MEHR GEBAUT

Betriebsbaugebiete auf wertvollen landwirtschaftlichen Böden und Straßen, die sich durch Felder ziehen – das muss der Vergangenheit angehören. In diesem Sinn muss es landwirtschaftliche Vorrangflächen geben, die für Bauvorhaben tabu sind. Dass die vorliegende Novelle dies nicht aufgegriffen hat, ist ein schwerer Makel. Die Beweggründe dafür sind für uns nicht nachvollziehbar. Man darf nicht wertvollste Flächen für die Lebensmittelversorgung Asphalt und Beton opfern.
Dabei bestünde die Grundlage für den Schutz der Vorrangflächen bereits. Denn die Bodenfunktionskarten für Oberösterreich machen die Leistungen von Böden sichtbar und zeigen unter anderem, wo in Oberösterreich die fruchtbarsten Böden für den Anbau von Lebensmitteln sind. Diese Bodenfunktionskarten oder auch die Karten der österreichischen Bodenschätzung sollen in Zukunft in der örtlichen Flächenwidmung verpflichtend berücksichtigt werden müssen. Dies bedeutet einen gesetzlichen Schutz der besten Agrarflächen.
Es ist ganz einfach: dort wo unser Essen wächst, wird nicht mehr gebaut. Die Kornkammern Oberösterreichs dürfen nicht zu einem Parkplatz werden. Es darf nicht sein, dass wir ein Fundament unserer Lebensmittelproduktion zerstören, um dort Bauten hochzuziehen. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben, und zwar einen Riegel, der hält.

GRÜNZONEN DAUERHAFT SCHÜTZEN –
WO SICH DIE MENSCHEN ERHOLEN, WIRD NICHT MEHR GEBAUT

Die fortschreitende Bodenversiegelung und Bebauung führen dazu, dass auch die Erholungs- und Rückzugsgebiete für den Menschen immer weniger werden. Solche Flächen, die dafür bekannt, geeignet sind und nachgefragt werden, müssen künftig ebenfalls für Bauvorhaben tabu sein und in einem landesweiten Grünzonenplan verankert werden. Auch dies findet keine Berücksichtigung in der Novelle. Aber es muss in unser aller Interesse sein, die Erholungsräume zu erhalten und vor Verbauung gesetzlich zu schützen. Diese Grünzonen sind für die Umwelt und die Lebensqualität der Menschen von zentraler Bedeutung. Bei Bebauung sind sie definitiv zerstört und verloren.

SHOPPEN OHNE BODENZERSTÖRUNG –
KEIN EINKAUFSZENTRUM MEHR AUF DER GRÜNEN WIESE

Einkaufszentren und Supermärkte sprießen weiter serienweise aus der Landschaft und vor allem aus den Wiesen. Es scheint quasi ein Wettlauf der Handelsketten im Gange zu sein. Der Wildwuchs an Supermärkten auf der grünen Wiese und das Durchwinken von Genehmigungen muss aufhören. Es gibt zwar Einzelfälle, in denen gegen derartige Pläne entschieden wird, wie etwa gegen den vierten Supermarkt in Wallern. Dies sind sehr wohl Etappenerfolge. Aber das muss zur Regel werden und darf nicht länger die Ausnahme sein. Dazu braucht es eine klarere Erhebung des Bedarfes für die Ansiedlung neuer VerbraucherInnenmärkte (zum Beispiel ausreichend EinwohnerInnen im Nahbereich).
Diese Neubauten gehen auch völlig an der Notwendigkeit vorbei. Österreich hat schon jetzt eine der höchsten Einkaufsflächen pro Kopf mit 1,67 m2 (Italien 1,03; Frankreich 1,23). Zudem stehen gleichzeitig immer mehr Gebäude leer und rund 1.000 Hektar Industrie- und Gewerbe-Brachflächen in Oberösterreich werden nicht genutzt (Quelle: Umweltbundesamt).
Die Nachnutzung von leerstehenden Industrie- und Gewerbe-Brachflächen und Gebäude-Leerständen in den Ortskernen muss gestärkt werden. Das würde auch dazu beitragen, Alltagswege kurz zu halten und den Individualverkehr zu reduzieren. Und für die Gemeinden (also für die SteuerzahlerInnen), aber auch für den Einzelnen können sich durch Nachnutzungen, aber auch durch maßvoll verdichtetes Bauen (Mindestdichten) Kosteneinsparungen ergeben, da Investitionen für neue Infrastrukturanbindungen wegfallen und sich auch die laufenden Erhaltungskosten reduzieren.

PARKEN OBEN ODER DARUNTER –
KEINE PARKFLÄCHEN BEI FIRMEN UND EINKAUFSZENTREN AUF DER GRÜNEN WIESE

Riesige Parkplatzfläche vor Einkaufszentrum, Supermarkt und Großbetrieb bedeuten ein Höchstmaß an Bodenverschwendung. Dass die Novelle nun mehr Tief- und Hochgaragen statt Freiflächenparkplätze bei Einkaufszentren und Betrieben vorsieht, ist nur auf den ersten Blick ermutigend. Denn sie erlaubt beim Neubau von Geschäftsbauten immer noch die Errichtung von KFZ-Stellplätzen auf ebenerdigen Freiflächen im Ausmaß von 100% bis 150% der Pflichtstellplätze. Das ist als Ergebnis viel zu wenig. Es ist einfach nur unambitioniert und halbherzig. Man hat zwar das Problem gesehen, aber weder Willen noch Mut aufgebracht, um es konsequent zu lösen. Es ist dieses “bisschen”, das die Novelle durchzieht und sie zahnlos macht.
Interessantes Detail: Im Begutachtungsentwurf war geplant, beim Neubau von Geschäftsbauten die Errichtung von Stellplätzen auf ebenerdigen Freiflächen auf maximal 50% der Pflichtstellplätze (1 pro 30 m2 Verkaufsfläche) zu beschränken. Nun wurde diese Begrenzung wieder aufgeweicht auf das 100%-Ausmaß der Pflichtstellplätze bei einer Gesamtverkaufsfläche über 800 m2 und auf das 150%-Ausmaß der Pflichtstellplätze (max. 30 Stellplätze) bei einer Gesamtverkaufsfläche von 300 m2 bis 800 m2.
Dabei ist die Lösung klar: Wenn künftig Handelsbetriebe oder Industrien gebaut werden, darf es ab einer bestimmten Größe (zum Beispiel der Gesamtverkaufsfläche) für die Fahrzeugstellplätze nur mehr Hoch- oder Tiefgaragen geben. Nur so können wir verhindern, dass für Parkflächen mehr Grünland versiegelt wird als für das Gebäude selbst.
Es braucht verbindliche Zahlen und gesetzliche Vorgaben, um die Bodenverbrauchsreduktion zu erreichen. Rahmenpapiere und Konzepte wie die ÖROK-Empfehlungen oder die aktuelle oberösterreichische Raumordnungsstrategie “Upper Region 2030” sind zwar gute Grundlagen, aber sie sind nicht verbindlich und nur wenige nutzen sie für die Praxis von Raumordnungsentscheidungen.

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