Vom Sicherheitspedal zur digitalen Leitstrecke: Die Entwicklung der Zugbeeinflussungssysteme

Die Eisenbahn gehört zu den sichersten Verkehrssystemen der Welt – und das nicht ohne Grund. Hinter jedem Zug steckt ein komplexes Netz technischer Überwachung, das sich über Jahrzehnte stetig weiterentwickelt hat. Die Geschichte der Zugbeeinflussungssysteme in Österreich zeigt eindrucksvoll, wie sich Sicherheitstechnik vom rein mechanischen Schutz hin zu einem hochdigitalen, europaweit harmonisierten System gewandelt hat.

Sifa: Sicherung durch Aufmerksamkeit
Am Anfang stand ein vergleichsweise simples, aber wirkungsvolles Instrument: die Sicherheitsfahrschaltung, kurz Sifa. Sie wird unterschieden in Impuls-Sifa oder einfach Sifa.

Die “Impuls-Sifa” (Aufforderungs-Sifa) ist eine modernere Form der “einfachen” Zeit-Zeit-Sifa (Totmannschaltung). Während die einfache Sifa den Lokführer zwingt, in festen Intervallen (z.B. alle 30s) meist ein Pedal/Taster zu betätigen, fordert die Impuls-Sifa den Lokführer durch akustische und visuelle Signale auf, eine aktive Handlung auszuführen (oft eine bestimmte Taste drücken), was eine dynamischere Überwachung darstellt und auf neue Zugmodelle angepasst ist. Die Sifa schützt vor Sekundenschlaf und medizinischen Notfällen – ein erster, grundlegender Baustein für den sicheren Bahnbetrieb.

Indusi und PZB: Magnetdaten als Wächter an der Strecke

Einen großen Schritt brachte die induktive Zugbeeinflussung (Indusi), später weiterentwickelt zur Punktförmigen Zugbeeinflussung (PZB). Sie beruht auf drei unterschiedlichen Gleismagneten:

Gleismagnet 1000 Hz: Der wirksame GM 1000 Hz bewirkt am Fahrzeug, die Prüfung der Geschwindigkeit innerhalb einer anschließenden oder nach Ablauf einer Prüfzeit. Wird die Wachsamkeitstaste nicht innerhalb 4 Sekunden betätigt bzw. wird die Prüfgeschwindigkeit überschritten, so wird eine Zwangsbremsung ausgelöst.

Gleismagnet 2000 Hz: Der wirksame GM 2000 Hz bewirkt eine Zwangsbremsung am Fahrzeug ohne Zeitverzögerung.

Gleismagnet 500 Hz: Der wirksame 500 Hz bewirkt am Fahrzeug die Überprüfung einer Geschwindigkeit. Beim Überschreiten dieser fahrzeugseitig vorgegebenen Prüfgeschwindigkeit erfolgt eine Zwangsbremsung ohne Zeitverzögerung

Überfährt der Fahrzeugmagnet einen wirksamen („scharfen“) GM, löst dies je nach Betriebsprogramm ein entsprechendes Überwachungsprogramm aus, bzw. führt unmittelbar zu einer Zwangsbremsung.

Noch heute ist sie das Rückgrat der Sicherheit auf weiten Teilen des ÖBB Netzes.

Linienzugbeeinflussung (LZB) Grundprinzip

Mit dem Aufkommen der Schnellfahrstrecken reichten punktuelle Informationen nicht mehr aus. Die Linienzugbeeinflussung (LZB) bietet deshalb eine kontinuierliche und weit vorausschauende Überwachung. Im Gegensatz zu PZB und Indusi wird bei LZB nicht punktförmig, sondern kontinuierlich überwacht. Das Herzstück der LZB sind zwei parallel im Gleis verlegte Linienleiterkabel, in denen codierte elektrische Signale laufen. Diese Kabel bilden einen durchgehenden Informationskanal zwischen Zug und Streckenzentrale. Der Zug sendet und empfängt Daten über induktive Koppler ohne physischen Kontakt zum Gleis.

In der LZB sind drei Geschwindigkeiten maßgebend, wobei jeweils die niedrigste dem Triebfahrzeugführer angezeigt wird

• zulässige Geschwindigkeit
• Einschränkungen der Geschwindigkeit
• Die Geschwindigkeit die durch den Zug begründet ist

ETCS: Europas einheitlicher Standard

Das European Train Control System (ETCS) ersetzt nach und nach nationale Systeme, um den grenzüberschreitenden Bahnbetrieb zu vereinheitlichen.

ETCS Level 1 nutzt Eurobalisen zur punktuellen Informationsübertragung – ähnlich der PZB, aber moderner und international standardisiert.

ETCS Level 2 übermittelt Fahrdaten kontinuierlich per Zugfunk. Optische Signale an der Strecke werden weitgehend überflüssig; der Führerstand erhält sämtliche Informationen digital.

In folgender Grafik ist der Ausbauzustand von PZB über LZB zu ETCS Level 1 und Level 2 dargestellt

Ried – Wien Streckenausrüstung Mitte des Jahres 2025

Ried im Inkreis	Neumarkt-Kallham	PZB
Neumarkt-Kallham	Haiding	ETCS Level 1
Haiding	Linz Hbf	ETCS Level 2
Linz Hbf	St. Pölten	LZB
St. Pölten	Wien über Tullnerfeld	ETCS Level 2

ETCS Level 3: Die Zukunft der signalfreien Bahn! Damit steht die nächste Generation in den Startlöchern. Das System basiert auf beweglichen Blockabschnitten, bei denen der Zug seine Position selbst bestimmt und meldet – ohne feste Streckenblöcke. Damit könnten Züge dichter aufeinander fahren und die Kapazität stark steigen, ohne dass zusätzliche Infrastruktur nötig wäre. Erste Tests laufen bereits.

Fazit: Vom einfachen Sicherheitsfahrschalter über die Indusi-Magnete, LZB bis hin zu hochdigitalen ETCS-Stufen: Die Entwicklung der Zugbeeinflussungssysteme zeigt den Weg einer Bahn, die immer sicherer, leistungsfähiger und vernetzter wird – und bereit ist für den europäischen Hochgeschwindigkeitsverkehr der Zukunft.

Quellenverzeichnis

• ÖBB-Infrastruktur AG
  Zugsicherung und Zugbeeinflussung bei den ÖBB.
  Interne Schulungsunterlagen und technische Systembeschreibungen, Wien.

Richtlinien zur Punktförmigen Zugbeeinflussung (PZB) und Linienzugbeeinflussung (LZB).
ÖBB Betriebsvorschriften

• European Union Agency for Railways (ERA)
  ETCS – European Train Control System: System Description.
  ERA Technical Documentation, Valenciennes.
• UIC – Internationaler Eisenbahnverband
  ERTMS/ETCS – Grundlagen und Anwendung im europäischen Eisenbahnverkehr.
  Paris.
• Wikipedia
  • „Sicherheitsfahrschaltung (Sifa)“
  • „Induktive Zugsicherung / Punktförmige Zugbeeinflussung (PZB)“
  • „Linienzugbeeinflussung (LZB)“
  • „European Train Control System (ETCS)“
    https://de.wikipedia.org
• Siemens Mobility
  ETCS Level 1, Level 2 und Level 3 – Systemübersicht und Entwicklung.
  Produkt- und Systeminformationen.
• Alstom Transport
  ERTMS/ETCS Signalling Solutions – Technical Overview.
• Fachliteratur
  Pachl, J.: Systemtechnik des Schienenverkehrs – Bahnbetrieb planen, steuern und sichern.
  Springer Vieweg, Wiesbaden.

Zum Artikel Stellwerkstechnik >>> https://gruenspecht.at/beitrag/2025/12/10/verkehr-011-bahnhof-ried/

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