Rathaus-Ried

Der Grünspecht Podcast

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Folge 3 – 1792-1816 Ried ist österreichisch, bayrisch und französisch

Geschichten zur Geschichte von Ried

„Solange der Österreicher noch braun`s Bier und Würstel hat, revoltiert er nicht“(Beethoven, 1794). Diese Worte, die der Wahlwiener Komponist und Pianist 1794 an seinen Verleger in Bonn schrieb, mögen auch heute noch für viele von uns die typisch österreichische Gemütslage beschreiben. Aber was braute sich da zusammen in Europa! Eine Losung, verpflichtet der Aufklärung und ihre Gedanken schwappten über weite Teile Europas bis ins heutige Russland über. ,,Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit”, so hallte es in den Gasthäusern und Höfen Europas landauf und landab einmal voller Tatendrang, ein anderes Mal voller Furcht von den Tischen und in den Gängen. Das  alte Europa, wie es sich über Jahrhunderte herausgebildet hatte, war in seinen feudalen Grundsätzen erschüttert.

Vor allem in Bayern waren die Gedanken, die eine Neuordnung der alten Herrschaftsbedingungen mit sich bringen sollten, stark verbreitet. Man erhoffte sich, das Innviertel und somit auch Ried wieder angliedern zu können. So wurde auch unsere Stadt Durchzugsgebiet für Truppen verschiedenster Kriegsbeteiligter. Es zogen 1792 österreichische Truppen durch Ried gegen das revolutionäre Frankreich und in umgekehrter Richtung französische Kriegsgefangene in die andere, für die in Ried ein Hospital errichtet wurde.

Im zweiten Koalitionskrieg kämpften österreichische Nachhuten mit Franzosen am Schweikelberg von Ried.

Furcht ging um in der Rieder Bevölkerung, die Losung lautete:

„ Die Franzosen kommen!” Um die Zerstörung des Marktes Ried zu verhindern gingen der Landrichter von Kürsinger, seine Frau und der Magistrat den Franzosen entgegen. Hier begab es sich,dass die Frau des Landrichters unter Tränen dem General der Franzosen zu Füßen fiel und, man glaubt es kaum, ihr wurde diese Bitte erfüllt. Und schon 1805 waren die Franzosen ein drittes Mal bei uns! Am 2. November 1805 traf Kaiser Napoleon höchstpersönlich in Ried ein. Er nächtigte im alten Rentamtsgebäude am Hauptplatz, das heute das Postamt beherbergt.

Bald darauf waren auch Linz und Wien eingenommen und der Friede von Preßburg unterzeichnet

In einer Zeit solcher Umwalzungen vermag es uns nicht zu verwundern, dass sich sogar der „große“ Napoleon noch einmal in Ried blicken ließ.  Am 2. Mai 1809 nächtigte er ein weiteres Mal hier.

Es gibt zu diesem zweiten Aufenthalt eine Geschichte, die, wenn sie wahr wäre, Ried einen Namen über die Grenzen Europas hinaus eingebracht hätte. An diesem 2. Mai war nämlich der Holzschuhmacher Heinrich Tuschl nahe daran gewesen den Kaiser zu erschießen. Auf der Lauer liegend wollte er seinen Plan mit einem Schuss aus dem Fenster eines Hauptplatzhauses umsetzen. In einem nachgestellten Trauerspiel von 1913 fällt der Schuss wirklich, das Gewehr wird aber von einem Korporal der Rieder Bürgergarde im letzten Moment zur Seite gerissen.

Im Trauerspiel wird die Geschichte der Franzosen in Ried aufgerollt. Wobei uns, die wir auf die Textprobe des Trauerspiels blicken, klar sein muss, dass die Grausamkeiten und Verfehlungen, die beschrieben werden, wahr sein können oder auch nicht. Es gibt jedoch ein gutes Bild für die die Gemütslage von Riederinnen und Riedern zur damaligen Zeit ab:

Ja, was ich Euch bisher erzählt habe, mag wohl auch anderen geschehen sein,obwohl mir mit einer Grausamkeit behandelt wurden, daB unser damaliger Landesrichter Kürsinger das Elend nicht mehr mitansehen konnte und dem General Grenier dringende Vorstellung machte. Man warf den edlen Mann sogleich in Haft und bedrückte uns noch mehr als früher. So sind wir in wenigen Tagen buchstäblich zu Bettelleuten geworden. Doch das wurden andere auch. Nur hört wie wir unglücklich wurden. Meine Schwester war ein bildhübsches Mädchen, wie wenige im Markt. Die reichsten Burschen warben um sie und um jene Zeit hatte sie gerade einem den Vorzug gegeben und war Braut. O, dass sie doch nicht so schön gewesen wäre, vielleicht lebte sie noch heute! So musste sie sterben, weil sie so schon war und den Herren Offizieren so gut gefiel, dass sie meine Schwester immer bei ihren Gelagen haben wollten. Mit Gewalt hat man sie aus unserer Stube gerissen und hinauf zu den zechenden Teufeln geschleppt. Damals habe ich begonnen euren Kaiser zu hassen, und hasse ihn so, wie nur wenige von Euch ihn lieben können. Der Übermut des Lumpengesindels wurde immer groBer. Die Schasseurs waren in lhrem Frevel schon ganz wahnsinnig geworden. Das waren keine Menschen mehr, sondern das waren wilde Bestien. Denn ist das nicht heller Wahnsinn, neben der Scheune Feuer anzuzünden, ganze Scheiterhaufen zu errichten, und als das Holz zu Ende geht, werden Kasten und Stühle, Tische und Zäune, Türen und Bilder herbeigeschleppt. Der Vater bittet, fleht, es hilft alles nichts. Als er sich wehren will, stoBen ihn die Unmenschen mit ihren Bajonetten nieder. Und in derselben Nacht fängt auch die Scheune wirklich Feuer, wie der arme Vater schon immer gefürchtet hat, und unser ganzes Anwesen wird ein Raub der Flammen. Mensch und nun sag, hat der Holzschuhmacher Tuschl in Ried Ursache zu seinem Hass gegen Napoleon oder nicht?

Am Ende des Spiels wird Tuschl wahrscheinlich von französischen Soldaten erstochen, genaueres bleibt aber unklar, da der Vorhang vorher fällt. Seine Abschlussworte:,,Und wenn sich alle beugen, ich beuge mich nicht vor ihm. Und wenn er die ganze Welt gewinnt, dort druben bin ich frei!”

Die ganze Geschichte ist geschichtlich empirisch nicht überprufbar, aber die Geschichtsinteressierten unter uns werden vielleicht wissen, dass am selben Tag ein Büchsenmacher im Stift Lambach einen Anschlag verüben wollte. Der Benediktiner Pater Koloman Feiner verhinderte den Anschlag, der den französischen Kaiser beim Einreiten in das Stift durch einen Schuss aus dem Torturm ereilen sollte.

Am 5. Janner 1810 wurde der Bezirk Ried sogar zum Sitz der französischen Landesregierung erklart. Der Verantwortliche residierte im Schloss Aurolzmünster.

Für eine Einschatzung der damaligen Zeit eignet sich hervorragend das ,,Rieder Regierungsblatt”, das sogar online zur Verfi.igung steht. In Ausgabe Nummer 1 vom 6. Jänner 1810 findet sich folgendes:

  1. Für das Sr. Majestät, dem Kaiser von Österreich abgetretene Innviertel, und Teil des Hausruckkreises wird zur Verwaltung der Staatsgeschäfte eine von Landes- und Sachkundigen Geschaftsmännern bestehende Landeskomission provisorisch errichtet” (Rieder= Regierungs= Blatt, 6. Janner 1810, No.1).

Und dann kommt es natürlich, wie es kommen musste. Erst mit 1779 von Bayern zu Österreich gekommen, dann von den Franzosen beherrscht, wurde das lnnviertel Ende 1810 wieder bayrisch.

Die Riederinnen und Rieder, so erzählt man sich noch heute, hatten diesen Tag lange erwartet und feierten ihn. Klarerweise nur, weil man die Hoffnung hegte, dass endlich friedlichere Zeiten eintreffen würden. Im ,,Rieder lntelligenzblatt” (endlich einmal ein Name der zu uns passt) ist zu lesen:

Glücklicher Tag! Welche schöne Morgensröthe beseeligender Zukunft lächelt dem Wahrheitsfreunde,dem vaterländisch gesinnten und dem guten Wohle unter des allgeliebten Maximillian Josephs milder, weiser, gerechter Regierung.

Mehr denn 33 Jahre floßen in den Strom der Zeiten, als auf den mit Tränen benezten Lippen des lnnviertels der laute herzliche Wunsch fi.ir Baierns Fürsten erstarb.

Am 29. des Herbstmondes strahlte die vaterländische Sonne wieder auf unsere Gefihlde. (Rieder= lntelligenz= Blatt, 6. November 1810, No.4)

Doch der Wunsch nach Ruhe und einem Leben, das von Krieg, Verwustung und Leid verschont bliebe, erfüllte sich weder fur die Rieder Bevölkerung noch für die Bevölkerung Europas. Im Juli 1812 begann Napoleon den russischen Feldzug, dessen Fehlschlag zum Ende seiner Herrschaft uber Frankreich und Europa führte. Auch Bayern begann nun von Napoleon abzurücken. Für die Riederinnen und Rieder wurde es um 1813 wieder brenzlig, da sich Österreich nach der preußischen Erhebung 1813 an der Koalition gegen Napoleon beteiligte. GIücklicherweise schlossen sich die Bayern im ,,Vertrag von Ried” am 8. Oktober 1813 jedoch der Koalition gegen Napoleon an.

Nur kurze Zeit später, infolge des Wiener Kongresses kam es zum ,,Münchner Vertrag 1816″, durch den das lnnviertel und damit auch Ried wieder zu Österreich kamen und bis heute sind.

Jetzt wurde in Ried ausgiebig gefeiert. Es war keine Rede mehr von der vaterländischen Sonne, die auf Ried fiel. Ganz im Gegenteil. Die abziehenden bayrischen Beamten wurden beleidigt, bayrische Wappen zerschlagen und sich den Bayern zugehörig fühlende Bürgerinnen und Brüger des Marktes verhöhnt.

In der Linzer Zeitung findet sich natürlich eine Liebeskundgebung an die neuen Herrscher:

Zu 24 Milionen Menschen des großen Kaiserstaes schließen sich nun wieder unsere alten Landsleute die Hausruck – und Innviertler an, deren Gefühl der inningen Liebe durch 7 Jahre nicht erloschen, sie sind nun unser, wie wir ihnen, stimmet daher vereint mit ihnen an dem heutigen Tage als Befohlene ihrer Kinder und Kindeskinder ein hohes Lebe wohl für unseren guten Kaiser an, der lange für das Glück unseres Staates leben solle, in ihm erneuere sich das alte Sprichwort: Ehrlich dauert am längsten. Vivat unserem vielgelieben Kaiser Franz.

So war nun der Markt Ried und mit ihm das ganze Innviertel in weniger als 40 Jahren duch die Hände verschiedenster Herrscher gegangen, hatte auch diese Zeit durchlebt und ist seither ein Teil von Österreich.